Trauerfeier für Peter Schmidt am 9. August 2025

Peter Schmidt

Copyright: Melanie Dreysse

Am 9. August 2025, um 12 Uhr, fand am Boulevard oberhalb der Koreastraße 2 die Trauerfeier für den im Alter von 87 Jahre am 24. Juli 2025 verstorbenen Designer Peter Schmidt statt. Über Peter Schmidt und sein gestalterisches Genie sprachen in sehr ergreifenden Reden Isabella Vertes-Schütter und Sonja Lahnstein. Über ihn als Kollegen und Lehrmeister äußerten sich in sehr berührender Weise Marcel Zandee und Norbert Möller. Musikalisch unterlegt war die Feier mit Musikbeiträgen. Sönke Tams Freier sag von Carl Loewe das Lied „Die Uhr“ sowie die erste und letzte Strophe der „Winterreise“ von Franz Schubert, er wurde begleitet durch Henriette Zahn. Die koreanische Konzertpianistin Seungyeon Lee spielte das Impromptus Nr. 3 op. 90 von Franz Schubert und schloss die Trauerfeier schließlich ab mit der von Franz Liszt komponierten Klavierversion von Richard Wagner „Isoldes Liebestod“. Einen Ausschnitt aus der Vorprobe des Wagner-Stücks durch Seungyeon Lee veröffentlichen wir auf unserer Homepage (Strate und Ventzke) und bei Instagram. Einige Nebengeräusche, die bei einem Auftritt im Freien vorkommen, ließen sich leider nicht gänzlich vermeiden.
 
Hier meine Rede zum Gedenken an Peter Schmidt auf den folgenden beiden Seiten.
 
Gerhard Strate, am 11. August 2025


Lieber Tobias, lieber Kevin, liebe Trauergäste!
 
Wir nehmen Abschied von Peter Schmidt.
 
Es sei Gottes Grimm, lässt uns Luther im 90. Psalm lesen, „dass wir so plötzlich dahin müssen“. Dieser Grimm offenbart sich stets zur Unzeit. Das gilt selbst dann, wenn körperliche Schwächen dem eigenen Wirken Grenzen setzen. Das Bild von Peter Schmidt, das wir in uns tragen, gerade auch bei dieser Feier, ist das einen Menschen von seelischer Stärke, getragen von unendlichem Ideenreichtum und unerschöpflicher Gestaltungskraft. Er hat seinen Lebensbogen durchschritten mit Enthusiasmus und Ausstrahlung. Sein Ende zeigt nicht das Dunkel der Nacht, sondern die zauberhafte Leuchtkraft des Abendrots.
 
Das ist eine Stimmungslage, in der man sich nicht wundern würde, wenn zwölf Falken plötzlich zu fliegen begönnen, um dem am Abend verschwindenden Sonnenlicht nachzueilen. Ihre kraftvolle Bewegung dürfte Peter Schmidt vor Augen gehabt haben, als er vor gut zwanzig Jahren plötzlich zweier japanischer Paravents ansichtig wurde, auf denen jeweils gerahmt sechs Falken unterschiedlicher Art und Farbe abgebildet waren. 
 
Die Falken haben ein Stockwerk tiefer, im „Strauchs Falco“, eine dauerhafte Heimstatt gefunden, nachdem Peter sie auf einer Auktion in London ersteigert hatte. Die Schönheit dieser Falken-Bilder ist ein Faszinosum. Sie dürften für Peter Schmidt eine Quelle der Inspiration gewesen sein. Ihre Schönheit war aber nicht nur die ihres auf den Bildern angedeuteten Flügelschlags. Sie war auch eingebettet in kulturelle Überlieferung. In verschiedenen Kulturen und Zeiträumen waren Falken Symbole für Macht, Mut und Freiheit. Vor allem Mut und Freiheit waren Peter Schmidt zur zweiten Natur geworden: Hierfür liefert seine unendlich schöpferische Gestaltungsfreude zahllose Beispiele. Viele von Ihnen sind in dem wunderbaren Band „Inszenierte Welten – Der Gestalter Peter Schmidt“, erschienen in der Collection Rolf Heyne, geschildert und bebildert. Ich will nur eines davon ansprechen.
 
Der weiße Marmor in der Hamburgischen Staatsoper. Das war der Hingucker schlechthin, als Peter Schmidt 2003/2004 die Renovierung des Foyers übernommen hatte. Und der Hanseat schrie auf: WEISSER MARMOR????? Ja, weißer Marmor. Nichts ist schlichter als weißer Marmor mit seiner zurückhaltenden Maserung, seiner fast schon hanseatisch zu nennenden Kühle, die aber gerade durch diese willkürliche Maserung Wärme erfährt. Weißer Marmor also in der Staatsoper, diesem ganz und gar den Bürgern und nicht etwa dem Adel verpflichteten Opernhaus, im 17. Jahrhundert gegründet, das seit den 1950er Jahren die schlichte, zurückgenommene Gestaltung hat, die wir auch heute noch sehen und schätzen.
 
Weißer Marmor auch auf der Rückwand des unteren Foyers, mit Notenbruchstücken wichtiger Komponisten, die hier gespielt werden, z.B. Gustav Mahler. Ganz schlicht. Und berückend schön.
 
Auch das Logo der Staatsoper und viele ihrer Publikationen hat Peter Schmidt geprägt. Er hat damit Maßstäbe gesetzt. Zu übertreffen werden sie kaum sein. Auch nicht durch ein neues Gebäude.
 
Eines seiner Bühnenbilder war erneut jüngst in der Staatsoper zu bewundern: bei John Neumeiers „Tod in Venedig“ und bei „Die Unsichtbaren“ für das Bundesjugendballett. Das schlägt die Brücke zu einer Jugenderinnerung: „Ich habe mit 14 Jahren schon die ‚Götterdämmerung‘ gesehen.“ So Peter in einem Interview. „Das war unvorbereitet. Denn ich hatte zuvor noch nie in einem Theater gesessen. Das hat tiefe Spuren hinterlassen. Damals habe ich mir gewünscht, Bühnenbildner zu werden.“ Es waren aber nicht nur die Bühnenbilder, die auf dem Wunschzettel des 14jährigen standen. Es dürften bestimmt einige tausend Wünsche gewesen sein, die Peter Schmidt sich und seinen Mitmenschen in den letzten siebzig Jahren zu erfüllen vermochte. 
 
Die innige Liebe zur Musik Richard Wagners – mit der „Götterdämmerung“ begründet – begleitete ihn sein Leblang. Das Mitgefühl für die Künstler, die an der Präsentation von Wagners Werk beteiligt waren, aber wegen ihres Glaubens oder ihrer Überzeugung vertrieben und verfolgt wurden, ließ ihn – gemeinsam mit Hannes Heer und Jürgen Kesting – maßgeblich an der jetzt auf dem grünen Hügel in Bayreuth dauerhaft installierten Ausstellung „Verstummte Stimmen“ mitwirken.
 
Hier darf ich einflechten: Auf Vorschlag Peters klingt das von John Neumeier inszenierte Ballett „Tod in Venedig“ mit der von Franz Liszt komponierten Klavierversion von Wagners „Isoldes Liebestod“ aus. Es war eines der Stücke, das Peter Schmidt ganz besonders ans Herz gewachsen war. Und das nicht nur ihm. Diesem Lied gilt die intime Liebe aller Wagnerianer. Es wird heute, im Anschluss an meine kurze Rede, von der koreanischen Konzertpianistin Seungyeon Lee gespielt. Er hatte zweimal ihre Konzerte besucht; einmal war sie auch in seiner Wohnung am Knickweg eingeladen. Peter lobte ihr „Charisma“. Dass sie heute für Peter spielt, ist eine Ehrerbietung an den Verstorbenen.
 
Ich komme zum Schluss:
 
Für Peter Schmidt als Designer gilt in ganz besonderem Maße der Spruch Goethes „Wär‘ nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt‘ es nie erblicken.“ Das meint: Die innere Affinität von Auge und Sonne bleibt stets bestehen. Sie überdauert – jedenfalls in unserer Empfindung – auch den Tod. Peter Schmidt hat seine Augen geschlossen. Dennoch: In jedem Sonnenstrahl, der uns erreicht, lebt er für uns fort.